Redebeitrag zur Gedenkkundgebung am 09. November 2019

Spontan hielten wir einen Redebeitrag bei der von Li*Mo organisierten Gedenkkundgebung an die Reichspogromnacht, den wir nachfolgend dokumentieren:

Der Terroranschlag von Halle ist nun genau einen Monat her. In diesem Monat gab es viele Solidaritätsbekundungen für die jüdische Gemeinde weltweit. Genau so gab es aber auch wieder antisemitisch motivierte Vorfälle, von Hetzkommentaren im Internet bis hin zu körperlichen Übergriffen.
Bundesweit gibt es bisher keine einheitliche Statistik zu antisemitischen Übergriffen. Jedoch hat die Recherche und Informationsstelle Antisemitismus , kurz RIAS allein für Berlin im Jahr 2018 1083 antisemitische Vorfälle erfasst. Davon waren 46 Vorfälle körperliche Angriffe, 43 waren gezielte Sachbeschädigungen, 46 waren Bedrohungen. Man darf von einer wesentlich höheren Dunkelziffer ausgehen, da viele Jüd_Innen sich an solcherlei Übergriffe schlichtweg gewöhnt haben und die Taten nicht melden bzw. anzeigen. Wenn in einem Jahr bereits über 1000 Vorfälle in Berlin stattfinden, lässt sich nur erahnen wie es im Rest der Bundesrepublik aussieht. Auf die aktuelle Verbreitung des Antisemitismus sind bereits die Genoss_Innen von No Turning Back eingegangen.

Doch woher diese Ressentiments und dieser Hass? Die Geschichte des Judenhasses ist so alt wie die Religionen selbst. Das „Gerücht über die Juden“ setzt sich aus Mythen und Klischees zusammen, wie zB die im früheren Christentum verbreitete Erzählung, die Juden hätten Jesus verraten. 1543 schrieb Martin Luther, der große Reformer des Christentums, ein Pamphlet zum Umgang mit Juden. Dort heißt es unter anderem:
Zitat „Ich will meinen wohlgemeinten Rat geben. „Erstens, dass man ihre Synagogen oder Schulen anzünde und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und überschütte, sodass kein Mensch für alle Zeiten weder Stein noch Schlacke davon sehe.“ Und weiter: „Zweitens sollte man auch ihre Häuser abbrechen und zerstören, denn sie treiben darin genau das gleiche, wie in ihren Synagogen.“
Besonders im religiösen Kontext ist hier also eine über tausendjährige Kontinuität zu erkennen. Eine kritische Auseinandersetzung findet kaum statt, stattdessen gibt es in Deutschland immer noch einen Feiertag zu Luthers Ehren. 400 Jahre nach Luthers Hetzschriften, während der Herrschaft der Nationalsozialisten kam es zum größten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte. Der Shoa, mit 6 Millionen industriell ermordeten Jüdinnen und Juden.

Eine Reaktion darauf war die Gründung des Staates Israel 1948. Ziel der Staatsgründung war es, endlich allen jüdischen Menschen einen sicheren Rückzugsort bieten zu können, wenn sie wieder um ihr Leben fürchten müssen. Doch auch dieses Projekt war von Anfang an von Feindseligkeiten begleitet. Unmittelbar nach der Ausrufung des einzigen jüdischen Staates kam es zu einer Invasion der Armeen Ägyptens, Syriens, Transjordaniens, des Iraks und des Libanon. Zu erwähnen sind außerdem die beiden Intifadas, bei denen die palästinensische Bevölkerung aufgerufen wurde, Israel und die dort lebenden Jüdinnen und Juden mit allen Mitteln anzugreifen.
Doch wie sieht es aktuell aus? Nachbarstaaten wie der Iran erkennen Israel als jüdischen Staat nicht an, der Kampf gegen Israel ist dort Staatsdoktrin. Der iranische Präsident Hassan Rohani, der als relativ moderat gilt, startete 2016 Raketentests zur Machtdemonstration. Diese Geschosse waren mit dem Satz „Israel muss ausradiert werden“ beschriftet. Auch wenn jüdische Menschen mit Israel einen Rückzugsort haben, an dem sie im Inneren nicht ihre Religion verstecken müssen, sind sie trotzdem nicht vor äußeren Angriffen sicher. Im Dezember letzten Jahres, als Reaktion auf die Verlegung der US-amerikanischen Botschaft von Tel-Aviv in die Hauptstadt Jerusalem, rief die radikal-islamische und zutiefst antisemitische Terrororganisation Hamas zur dritten Intifada auf.
Wir wissen um die Schwierigkeit, sich als radikale Linke für einen Staat zu positionieren. Doch würde eine Ablehnung Israels aus staatskritischer Sicht auch die Augen verschließen vor der realen Situation der jüdischen Menschen weltweit. Eine Lehre aus der Shoa ziehen bedeutet für uns, das Anliegen der jüdischen Gemeinschaft ernst zu nehmen.

Gegen jeden Antisemitismus heißt für uns nicht nur, sich konsequent gegen Ressentiments und Verschwörungsideologien zu stellen.
Gegen jeden Antisemitismus heißt für uns auch: Kein Friede mit den Feinden Israels.
Nie wieder Reichspogromnacht, Nie wieder Auschwitz!

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