Vortrag: Rechter Terror in der DDR – Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus

Mittwoch, 27.11.2019, 19 Uhr Cafe Median, Niklotstr. 6, Rostock
Eine Veranstaltung in Kooperation mit No Turning Back.
Theorie, Kritik & Café gibt’s bereits ab 15 Uhr.

Bis zum Untergang der DDR wurden neonazistische, rassistische und antisemitische Propaganda- und Gewalttaten offiziell als ein Staatsgeheimnis behandelt und über das Ende der DDR hinaus bis in die Gegenwart verleugnet und verdrängt. Etwa 7.000 neonazistische Angriffe bilden numerisch das Hauptgewicht in diesem Spektrum des Grauens, während der Anteil der rassistischen Angriffe bei etwa 725 Vorfällen liegt. Hier sind die Angriffe auf afrikanische, muslimische und kubanische Arbeiter von Bedeutung, da sie das Gros der Opfer darstellen. Der Anteil antisemitischer Angriffe liegt bei etwa 900 und davon sind etwa 145 Schändungen jüdischer Friedhöfe und Gräber.

Ab den 1960er Jahren haben in über 110 Städten und Gemeinden etwa 200 Pogrome bzw. pogromartige Angriffe von Neonazis stattgefunden. Ab den 1970er Jahren gab es über 30 rassistische Angriffe auf Wohnheime von ausländischen Arbeitern, wobei der Anfang ein Wohnheim in Erfurt 1975 war und diese Reihe endete in der DDR im August 1990 als in Trebbin (Bezirk Potsdam) ein Wohnheim für Mosambikaner von etwa 30 Neonazis angegriffen wurde. Die Straftaten haben in etwa 400 Städten und Gemeinden stattgefunden und sie sind ein Ausdruck der in allen Bezirken der DDR aktiven rechten Bewegung, deren organisatorische Zentren über 100 neonazistische Gruppen bildeten.

SED, besonders ihre Führung, nahm die Rechten in der DDR bis Anfang 1988 kaum wahr und sie war dann auch nicht mehr in der Lage entscheidend dagegen vorzugehen. Als ab dem Sommer 1989 Tausende gegen die SED auf Straßen und Plätzen demonstrierten, bildeten dabei die verschiedenen Gruppen der rechten Bewegung ihren, auch gewalttätigen Anteil, am Zusammenbruch der SED-Diktatur. Bei der Wahl am 18. März 1990 zur Volkskammer erzielte die in der „Allianz für Deutschland“ (AfD) zusammengefasste parlamentarische Rechte, mit knapp 50 Prozent die meisten Stimmen und konnte, zusammen mit der SPD und den Liberalen, die Regierung stellen. Seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten haben nach staatlichen Angaben mehrere hunderttausend rechte Propaganda- und Gewaltstraftaten stattgefunden und nach meinen Recherchen gab es in diesem Zeitraum über 370 Tote und tausende Verletzte und der Anteil der Täter stammt überproportional (4:1), d. h. gemessen an der Zahl der Einwohner, aus den neuen Ländern im Osten. Diese Struktur lässt sich ebenfalls in Berlin feststellen, wenn man die Berliner Bezirke im Osten und im Westen vergleicht. Fälschlicherweise wurde behauptet, diese Entwicklung wäre ausschließlich den ökonomischen, sozialen und politischen Verwerfungen seit dem Vereinigungsprozess geschuldet. In beiden deutschen Staaten gab es Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus. Sie bilden die historischen Voraussetzungen dafür, dass es in der Gegenwart zu den brandgefährlichen gesellschaftspolitischen Verhältnissen kommen konnte. Ausgangspunkt für diese Entwicklung war die in beiden deutschen Staaten gescheiterte Entnazifizierung.

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Redebeitrag zur Gedenkkundgebung am 09. November 2019

Spontan hielten wir einen Redebeitrag bei der von Li*Mo organisierten Gedenkkundgebung an die Reichspogromnacht, den wir nachfolgend dokumentieren:

Der Terroranschlag von Halle ist nun genau einen Monat her. In diesem Monat gab es viele Solidaritätsbekundungen für die jüdische Gemeinde weltweit. Genau so gab es aber auch wieder antisemitisch motivierte Vorfälle, von Hetzkommentaren im Internet bis hin zu körperlichen Übergriffen.
Bundesweit gibt es bisher keine einheitliche Statistik zu antisemitischen Übergriffen. Jedoch hat die Recherche und Informationsstelle Antisemitismus , kurz RIAS allein für Berlin im Jahr 2018 1083 antisemitische Vorfälle erfasst. Davon waren 46 Vorfälle körperliche Angriffe, 43 waren gezielte Sachbeschädigungen, 46 waren Bedrohungen. Man darf von einer wesentlich höheren Dunkelziffer ausgehen, da viele Jüd_Innen sich an solcherlei Übergriffe schlichtweg gewöhnt haben und die Taten nicht melden bzw. anzeigen. Wenn in einem Jahr bereits über 1000 Vorfälle in Berlin stattfinden, lässt sich nur erahnen wie es im Rest der Bundesrepublik aussieht. Auf die aktuelle Verbreitung des Antisemitismus sind bereits die Genoss_Innen von No Turning Back eingegangen.

Doch woher diese Ressentiments und dieser Hass? Die Geschichte des Judenhasses ist so alt wie die Religionen selbst. Das „Gerücht über die Juden“ setzt sich aus Mythen und Klischees zusammen, wie zB die im früheren Christentum verbreitete Erzählung, die Juden hätten Jesus verraten. 1543 schrieb Martin Luther, der große Reformer des Christentums, ein Pamphlet zum Umgang mit Juden. Dort heißt es unter anderem:
Zitat „Ich will meinen wohlgemeinten Rat geben. „Erstens, dass man ihre Synagogen oder Schulen anzünde und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und überschütte, sodass kein Mensch für alle Zeiten weder Stein noch Schlacke davon sehe.“ Und weiter: „Zweitens sollte man auch ihre Häuser abbrechen und zerstören, denn sie treiben darin genau das gleiche, wie in ihren Synagogen.“
Besonders im religiösen Kontext ist hier also eine über tausendjährige Kontinuität zu erkennen. Eine kritische Auseinandersetzung findet kaum statt, stattdessen gibt es in Deutschland immer noch einen Feiertag zu Luthers Ehren. 400 Jahre nach Luthers Hetzschriften, während der Herrschaft der Nationalsozialisten kam es zum größten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte. Der Shoa, mit 6 Millionen industriell ermordeten Jüdinnen und Juden.

Eine Reaktion darauf war die Gründung des Staates Israel 1948. Ziel der Staatsgründung war es, endlich allen jüdischen Menschen einen sicheren Rückzugsort bieten zu können, wenn sie wieder um ihr Leben fürchten müssen. Doch auch dieses Projekt war von Anfang an von Feindseligkeiten begleitet. Unmittelbar nach der Ausrufung des einzigen jüdischen Staates kam es zu einer Invasion der Armeen Ägyptens, Syriens, Transjordaniens, des Iraks und des Libanon. Zu erwähnen sind außerdem die beiden Intifadas, bei denen die palästinensische Bevölkerung aufgerufen wurde, Israel und die dort lebenden Jüdinnen und Juden mit allen Mitteln anzugreifen.
Doch wie sieht es aktuell aus? Nachbarstaaten wie der Iran erkennen Israel als jüdischen Staat nicht an, der Kampf gegen Israel ist dort Staatsdoktrin. Der iranische Präsident Hassan Rohani, der als relativ moderat gilt, startete 2016 Raketentests zur Machtdemonstration. Diese Geschosse waren mit dem Satz „Israel muss ausradiert werden“ beschriftet. Auch wenn jüdische Menschen mit Israel einen Rückzugsort haben, an dem sie im Inneren nicht ihre Religion verstecken müssen, sind sie trotzdem nicht vor äußeren Angriffen sicher. Im Dezember letzten Jahres, als Reaktion auf die Verlegung der US-amerikanischen Botschaft von Tel-Aviv in die Hauptstadt Jerusalem, rief die radikal-islamische und zutiefst antisemitische Terrororganisation Hamas zur dritten Intifada auf.
Wir wissen um die Schwierigkeit, sich als radikale Linke für einen Staat zu positionieren. Doch würde eine Ablehnung Israels aus staatskritischer Sicht auch die Augen verschließen vor der realen Situation der jüdischen Menschen weltweit. Eine Lehre aus der Shoa ziehen bedeutet für uns, das Anliegen der jüdischen Gemeinschaft ernst zu nehmen.

Gegen jeden Antisemitismus heißt für uns nicht nur, sich konsequent gegen Ressentiments und Verschwörungsideologien zu stellen.
Gegen jeden Antisemitismus heißt für uns auch: Kein Friede mit den Feinden Israels.
Nie wieder Reichspogromnacht, Nie wieder Auschwitz!

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Vortrag: Verschwörungswahn und Gewalt – Antisemitismus und Judenfeindschaft heute

09.11.2019, 19 Uhr Tresen, 20 Uhr Vortrag, Cafe Median, Niklotstraße 6 Rostock

Der rechtsterroristische Anschlag in Halle hat einmal mehr die Gewalttätigkeit offenbart, die in Antisemitismus und Rassismus steckt. Antijüdische Einstellungen sind in der extremen Rechten weit verbreitet, so sehr sie sich auch als modernisiert und als „Neue Rechte“ ausgibt. Der wahnhafte Glaube an jüdische Verschwörungen und die Verantwortung von Jüdinnen und Juden für alle erdenklichen Übel ist prägend für rechte Ideologie. Allerdings ist Antisemitismus auch in anderen Milieus zu finden, etwa im Islamismus und in Teilen der politischen Linken. Verbreitet wird er auf Demonstrationen gegen Israel, in Internet-Memes oder sogar in angesehenen Tageszeitungen. Wie lässt sich Antisemitismus erkennen? Was haben die verschiedenen Formen des Ressentiments gemeinsam, was trennt sie? Ein Vortrag mit context. Bausteine für historische und politische Bildung e.V.

 

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